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Wünschewagen Sachsen

Abschied auf dem Meer – die letzte Ruhe in der geliebten Ostsee finden

Ende Mai brachen die Wunscherfüller Michael und Ralf zu einer ganz besonderen Wunschfahrt auf. Paul und Martina hatten den innigen Wunsch, an der Seebestattung ihrer plötzlich verstorbenen einzigen Tochter Katrin teilnehmen zu können.

Paul ist durch gesundheitliche Leiden in seiner Mobilität stark eingeschränkt, so dass die Fahrt nach Rostock zur Beisetzung mit den üblichen Reisemöglichkeiten unmöglich war. Die Kontaktaufnahme zu Thomas Höhne vom ASB- Wünschewagenteam erfolgte erst kurz vor dem Bestattungstermin, da die Eheleute erst spät vom ASB-Projekt „Wünschewagen – letzte Wünsche wagen“ erfahren hatten. Doch der Wünschewagen würde seinem Anliegen nicht gerecht, wenn das Team nicht alles in Bewegung setzen würde, um auch diese Herausforderung anzugehen. Die beiden erfahrenen Wunscherfüller Michael und Ralf meldeten sich kurzentschlossen zum Einsatz und die Fahrt konnte starten.

 

Sie fuhren zunächst zu einer Kurzzeitpflege-Station in Leipzig, wo der 82-jährige Fahrgast mit seiner Ehefrau bereits mit leichter Anspannung wartete. Rasch waren das Gepäck, Rollstuhl, Gehbänkchen und Rollator verstaut. Paul war zu Beginn in seiner Beweglichkeit stark eingeschränkt, doch Michael - hauptberuflich im Rettungsdienst tätig - und Ralf bewältigten die Umsetzung vom Rollstuhl ins Fahrzeug mit ihrer großen Erfahrung. Erste herzliche Worte, Zuspruch und eine kurze Umarmung ließen die anfängliche Anspannung rasch verfliegen.

 

Die Fahrt über die Autobahn führte vorbei am Flughafen Leipzig/Halle, wo Paul durch die großen Panoramafenster des Wünschwagens die riesigen Transportflugzeuge AN 124 und Boeing 747 sichtete. Eine Zwischenrast wurde genutzt, um den Blutzucker des Fahrgastes zu prüfen, ihm Insulin zu spritzen und …. eine Bockwurst zu verspeisen. Die Heide- und Mecklenburger Seenlandschaft bildeten schöne Aussichten, so dass die Zeit bis zum Zielort rasch verstrich. Im Radisson Blu Hotel Rostock wurden alle vom dortigen Team herzlich begrüßt. 

 

Begleiter Ralf berichtet: „Für unsere Fahrgäste war ein behindertengerechtes Zimmer reserviert. Das Fahrzeug durften wir direkt vor dem Hotel parken. Paul, durch die Fahrt ziemlich müde, stimmte nach einiger Bedenkzeit zu, das Abendbrot im Hotel einzunehmen, so dass sich alle nach einer kurzen Erfrischung auf den Zimmern im einladenden Restaurant zum Essen einfanden.

 

Zur freudigen Überraschung seiner Frau, vermutlich beeindruckt und motiviert vom Anblick der abendlichen Köstlichkeiten, verspeiste Paul einen Tafelspitz ohne fremde Hilfe. Dies war in letzter Zeit in der Pflegeeinrichtung nicht möglich gewesen. Seine schweren Erkrankungen, der frühe Tod seiner geliebten Tochter im Alter von nur 45 Jahren, und die Ungewissheit über die Teilnahme an der Bestattung hatten schwer auf ihm gelastet.

 

Vielleicht konnten wir etwas von dieser Last nehmen, denn Paul spürte, dass wir Wunscherfüller ihn am folgenden Tag verlässlich zur Seebestattung begleiten würden. Paul an diesem Abend langsam aufblühen zu sehen, war für uns ein beglückendes Gefühl.“

 

Gegen Abend trafen der Schwiegersohn und weitere Familienmitglieder im Hotel ein und nach herzlicher Begrüßung und kurzem Beisammensein zogen sich alle auf die Zimmer zurück. Zum Frühstück saß Paul wie „neugeboren“ am Tisch, gesprächig, wach, ohne Hilfe sein Frühstück genießend. Da er nicht selbst zum Buffet laufen konnte, beschrieb ihm seine Ehefrau dieses ganz genau, so dass eine gute Auswahl möglich war. Für die Wunscherfüller war die tiefe Verbundenheit und Liebe der beiden Eheleute nach 50 Jahren gemeinsamer Wegstrecke spürbar. 

 

Gegen 9 Uhr fuhr der Wünschewagen nach Warnemünde zum Liegeplatz des Motorschiffes „Rugard“ an der Mittelmole. Paul konnte mit dem Rollstuhl problemlos über die Rampe aufs Schiff gebracht werden. Nun stand das vergangene Leben von Tochter Katrin und der bevorstehende Abschied, ihre Seebestattung, im Mittelpunkt. Die Wunscherfüller spürten die tiefe Verbundenheit der Eltern, des Ehemannes und der anderen Angehörigen mit der Verstorbenen. Martina hatte neben ihrem Paul mit guter Sicht auf die würdevoll mit Blumen und Kerzen geschmückte Urne Platz genommen. Nach der Andacht wurde die Urne beim Klang verschiedener Musikstücke, die Katrin besonders liebte, den Weiten des Meeres übergeben. Dreimal ertönte in einem langanhaltendem Ton das Signalhorn des Schiffes. Die letzte Ruhe in der geliebten See war gefunden. Das Schiff kreiste noch einige Zeit um die Bestattungsstelle und um die im Wasser treibenden Freesien und Blütenblätter. Wie durch ein Wunder hatte Wunscherfüller Michael am Abend vor der Bestattung Freesien, die Lieblingsblume von Katrin, aufspüren und kaufen können. Ein kleiner Wunsch konnte für die Familie erfüllt werden. Vor dem gemeinsamen Essen im „Teepott“ verbrachten alle besinnliche Momente am Strand. 

 

Nach einer gemütlichen Mittagsstunde mit Erinnerungen und Gedanken brachen alle zur Heimreise auf. Doch vor der Abfahrt des Wünschewagens liefen die Wunscherfüller mit Martina und Paul im Rollstuhl nochmals zum nahen Strand. Ralf hatte einen Strandaufgang gefunden, wo die am Strand ausgelegten Platten fast bis an die See reichten, so dass Paul und Martina unmittelbar am Wasser letzten Gedanken und Erinnerungen an ihre geliebte Tochter Katrin nachgehen konnten.

 

Ralf berichtet weiter: „Von den beiden Tagen in Rostock und dem Erlebten sind wir Wunscherfüller tief bewegt und beeindruckt. Wir sind dankbar, dass wir die Familie und ihre Angehörigen kennenlernen und auf dem nicht einfachen Weg begleiten durften sowie etwas vom Leben ihrer Tochter erfuhren." Die Großnichte Anita berichtete später, dass ein Regenbogen über dem Leuchtturm von Warnemünde zu sehen war. Ein Wunder? Ein Zeichen? Nur wer Wunder nicht versteht, wird Wunder nicht erleben…

 

Die Heimreise gestaltete sich kurzweilig. Paul, liegend transportiert, schlief nur kurz, erzählte und war auch bei der Ankunft in Leipzig gegen 23 Uhr wenn auch erschöpft, so doch hellwach. So habe sie ihren Paul in den letzten Wochen nicht erlebt wie an den zwei Tagen, berichtete Martina zum Reiseende.

 

Die Wunscherfüller bedanken sich beim ASB-Organisationsteam für die perfekte Vorbereitung und Begleitung der Fahrt, beim Hotel Radisson Blu Rostock für seine Gastfreundschaft, bei der Crew des MS „Rugard“ für die mit großer Empathie und Wärme durchgeführte Bestattung und bei der Familie H. für das entgegengebrachte Vertrauen und die angenommene Hilfe. Die Erinnerung an die Fahrt wird bei den ehrenamtlichen Helfern im Herzen bleiben.

 

Das Team vom Wünschewagen Sachsen

Mehr Informationen über die ehrenamtliche ASB-Initiative "Wünschewagen - letzte Wünsche wagen" finden Sie hier.

 

Anmerkung:
Der Würde des Anlasses entsprechend wurde trotz vorliegender Fotoerlaubnis auf Porträtfotos verzichtet. Auch wurden zum Schutz der beteiligten Personen die Namen geändert.